Unterdrückte Wut
Wut ist etwas, womit viele Menschen Schwierigkeiten haben. Die meisten von uns haben in der Regel durch die Erziehung in ihrer Kindheit ein negatives Bild von Wut vermittelt bekommen. Es ist selten, dass Eltern oder Lehrer ein Kind loben, wenn es seine Wut ausdrückt. Es lernt hingegen allmählich, dass Wut mit unangenehmen Konsequenzen verbunden ist. Wut und ihr Ausdruck werden mit der Zeit an Schuldgefühle gekoppelt.
Viele Menschen – auch wenn sie es nicht immer wahrnehmen – tragen sehr viel Wut in sich. Diese meldet sich immer wieder, oft indirekt und destruktiv. Die eigene Wut wahrnehmen zu können, ist an sich gut, denn in der Wut steckt viel Kraft. Wenn wir keinen Zugang zu dieser Kraft haben, ist oftmals ein Gefühl der Machtlosigkeit die Folge – man fühlt sich in manchen Situationen und Anderen gegenüber ohnmächtig. Durch den Ausdruck der Wut in einer verantwortungsvollen Weise ist es möglich, unsere Kraft wieder zu spüren und dadurch das Gefühl der Ohnmacht zu reduzieren. Oft ist es notwendig, die Wut auszudrücken und so einen in der Vergangenheit erlebten Verlust der Würde wieder zurück zu erlangen.
Unterdrückte Wut kann sich in unterschiedlichen Formen zeigen: Verachtung (gegenüber des anderen Geschlechts, anderen Nationalitäten, usw.), körperlicher Erkrankung, Depression, Frustration oder durch das Gefühl des Abgeschnitten-Seins.
Es geht darum einen Weg zu finden, die Wut auszudrücken, ohne dabei sich oder jemand anderen zu verletzen – das bedeutet, einen verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Wut zu pflegen.
Von vielen wird Wut oft mit Aggression verwechselt. Aus diesem Missverständnis heraus vermeiden beispielsweise Frauen, die als Kind aggressivem Verhalten ausgesetzt waren – häufig den Ausdruck der eigenen Wut. Wut drückt lediglich unser Bedürfnis aus, uns vor einer (vielleicht nur subjektiv erlebten) Verletzung oder Grenzüberschreitung zu schützen. Sie hat nicht das primäre Ziel, jemandem weh zu tun. Aggression hingegen hat immer das Ziel, anderen psychisch oder auch körperlich weh zu tun.
Am Anfang mag es einem vielleicht schwer fallen einen Weg zu finden, der es ermöglicht, Wut in einer verantwortungsvollen Weise auszudrücken. Es ist deshalb wichtig, dies zuerst in einem geschützten Rahmen zu erleben, um die eigene Wut zuerst einmal kennen zu lernen.
Zurückgehaltene Wut hindert uns daran, unser Herz zu öffnen. Der Ausdruck von Wut in einer verantwortungsvollen Weise ermöglicht uns, im Leben mehr Liebe zu spüren – sowohl für uns selbst, als auch für andere. Denn dieser Ausdruck ermöglicht uns, den Groll immer mehr loslassen zu können. Je weniger Groll wir in uns tragen, desto leichter können wir dem Leben offen begegnen. Wut auszudrücken heißt nicht, dass wir zu einer wütenden Person werden. Im Gegenteil: es bewirkt dass wir lernen, die Wut los zu lassen. Das gelingt jedoch nur, wenn wir einen Weg finden, dies in einer verantwortungsvollen Weise zu tun.